13 Oktober 2008

Man muss ja froh sein...

Obwohl ich derzeit in Elternzeit bin und quasi hauptberuflich meinen kleinen Sohn Joshua betreue (und eben das bißchen Haushalt, hüstel), habe ich meine Stundenanzahl in der Klappse nur reduziert und muss daher ab und zu auch mal an die Arbeit. Das sind mit Teilzeitstelle natürlich gerne die von den Kollegen ungeliebten Nachtdienste.

Nach einem dieser Nachtdienste begab es sich jüngst, dass ich wie meistens zwischen Nachhausekommen und Schlafengehen, nochmal eine Runde mit unserem Hund Frank durch die Felder machte. Es nieselte, alles war kalt und grau.

Ich rauchte gemütlich eine Zigarette (die geschätzt dreißgste der letzten 12 Stunden), scheuchte den Hund hinter seinem Ball her und stapfte völlig übermüdet und fertig vor mich hin. Plötzlich erkannte ich in einiger Entfernung, dass mir auf dem Weg jemand entgegen kam.

Mir schwante Übles, und so kam es dann auch: meine Nachbarin Frau A. machte ebenfalls einen Spaziergang mit dem Hund. Dazu muss man wissen, dass Frau A. zwar prinzipiell eigentlich ganz nett ist. Sie ist allerdings auch eine deutlich in die Jahre gekommene Eso-Tante, die in längeren Gesprächen sehr anstrengend sein kann. Mit buntem Stirnband und Poncho, bietet die alte Dame nicht nur einen skurrilen Anblick.

Wir kamen uns also auf diesem Feldweg entgegen. Am liebsten hätte ich mich umgedreht und wäre weggelaufen. Ich hatte in der vergangenen Nacht genug Psychogequatsche gehört und selbst von mir gegeben. Ich wollte nur noch Feierabend machen und ins Bett. Bitte keine Kommunikation mehr. Bitte. Aber daraus wurde natürlich nichts.

Nach dem obligatorischen "Guten Morgen" (von meiner Seite aus eher gequetscht und leidend ausgestossen) fing Frau A. auch schon an, mir eine Gespräch aufzuzwingen:

"Naaaa, schmeckt denn das Zigarettchen? Ist das die Erste heute morgen?" Jovial grinst sie mich an. Uaaah! Was geht die denn an, die wievielte Kippe das ist?

"Nee, das ist die hoffentlich letzte für heute. Ich hatte Nachtdienst und gehe gleich ins Bett." Meine Hoffnung, dass sie den Wink mit dem Zaunpfahl versteht und mich in Ruhe läßt, wurde natürlich nicht erfüllt.

"Oh Sie Armer!" Ein mitfühlender Ausdruckerschien in ihrem Gesicht. "Wo arbeiten Sie denn bloß?"

"Ich bin Krankenpfleger im Ludwig-Noll-Krankenhaus in Kassel." Aus dieser Nummer kam ich wohl so leicht nicht wieder raus.

Ihre Stirn zog sich hinter ihrem fliederfarbenen Stirnband nachdenklich kraus. "Diese Einrichtung kenne ich gar nicht... Was ist denn das für eine Klinik?"

"Akut-Psychiatrie."

Entsetzen und ein Anflug von Bitte-beiß-mich-nicht-oder-schlimmeres blitzte in Frau A.s Augen auf und dann sagte sie den denkwürdigen Satz, wegen dem ich das hier alles aufschreibe: "Achja ((seufzt)). Heutzutage muß man ja froh sein, wenn man überhaupt Arbeit hat."

Während dieser Satz sich langsam durch den Gehörgang in mein völlig übermüdetes Hirn wand, glaubte ich, zusammenbrechen zu müssen. Gaaaaaanz ruhig, Hilscher.

"Eigentlich mag ich meine Arbeit ganz gern. Ich..."

Aber das wollte sie schon gar nicht mehr hören. Plötzlich schien sie es eilig zu haben. "Ich wünsche ihnen auf jeden Fall viel Kraft für ihre Arbeit. Tschüs!"

Und weg war sie. Auch ich stapfte weiter. Nach ein paar Augenblicken konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Ich fing erst an zu kichern, um dann mitten im Feld laut loszuprusten. Also wirklich: was bin ich nur für eine arme Sau, dass ich in der Klapsmühle arbeiten muss...